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Briefe an Unbekannt

Bandenadmin am Fr., 12.10.2012 - 00:28

Vorwort

Liebe LeserInnen!

Sie werden sich fragen, warum ich so ein Buch schreibe ...

Ja zu allen Handlungen dieser Welt gibt es eine Vorgeschichte; so auch zu diesem Buch!

Angefangen hat eigentlich alles ganz harmlos – unsere kleine Familie bestehend aus Mutter, Vater, Kind. Ich, die Ehefrau, seit mehr als zwei Jahrzehnten mit einem rechtschaffenen, studierten, sportlichen, überall beliebten Ehemann verheiratet. Mitten auf dem gemeinsamen Weg kommt unter nicht ganz einfachen Umständen ein Kind, ein Sohn, dazu. Alles in allem eine recht harmonische Familie, deren Mitglieder eigentlich allesamt rundherum glücklich sein sollten ......

Hinter der heilen Fassade baut sich jedoch tiefe Unzufriedenheit bei mir auf. Immer öfter stellte ich mir die Sinnfrage: "Sollte mein Leben nur aus Suppe kochen und Wäsche waschen bestehen?" Bei dem einen oder anderen Kontakt mit Familienfremden garniere ich mein Leben ein wenig mit Repräsentation und Selbstdarstellung, damit wenigstens eine handvoll Leuten weiß, dass ich auch was anderes zu tun im Stande war ....! Und eines Tages erkenne ich schließlich, dass ich keinesfalls so enden will wie meine Mutter, die ich nicht zuletzt wegen ihrer Aufopferung für die Familie sehr schätze, die jedoch bei Zeiten intensiver ihren Wünschen hätte nachgeben sollen. Heute besteht ihre einzige Freude darin, sich dann und wann beim Shoppen selbst zu beschenken! Das hätte sie viel früher tun sollen! Sie ist in gewisser Weise eines meiner negativen Vorbilder – natürlich neben all den anderen Frauen, die jetzt nur mehr von der guten alten Zeit träumen und reden können; denen sonst nichts anderes übrig geblieben ist ....

Vielleicht kann ja die eine oder andere noch was aus ihrer wilden Jugend berichten?! Nachdem die meisten von ihnen jedoch der Generation um den Zweiten Weltkrieg angehören, war deren Jugend vermutlich auch eher vom Kampf ums nackte Überleben geprägt .....

Ich hatte es da schon leichter! Viele Jahre in gut dotierten Positionen unselbständig erwerbstätig, gab ich dem Drang nach Selbständigkeit nach, nahm meine Abfertigung und investierte sie in eine neue Ausbildung. Damals hatte ich viele Zweifel, denn ich wusste genau, dass das Ausbrechen aus dem Angestelltsein auch viele Risiken in sich barg. Würde ich bestehen können? Ich bestand! Meine lang praktizierte Genügsamkeit hatten mich auch Wirtschaftsflauten überleben lassen .......

Wenn ich es recht überlege, dann war das damals der Beginn meines Ausbruchs aus Konventionen und Regeln. Heute weiß ich, dass es sehr wohl möglich ist, sein Lebensskript umzuschreiben; natürlich braucht man in erster Linie Kraft und Ausdauer. Die habe ich! Ich bin sehr zäh!

Was meine Familie anging, erfüllte ich jedoch noch immer zu hundert Prozent all meine Pflichten. Ja, wie definieren sich die Pflichten einer Frau in der heutigen Zeit überhaupt? Was hat frau zu tun? Muss sie sich wirklich für alles verantwortlich fühlen? Oder sind das alles nur Metaphern, die von der Männerwelt über Jahrzehnte überliefert wurden? Der Mann als Jäger, Sammler und Ernährer der Familie; die Frau für Heim und Herd und die Aufzucht der Kinder verantwortlich?!

In unserer modernen Zeit gibt es da kein Halt mehr. Frauen gehen voll arbeiten, erledigen den Haushalt, bringen Autos zum Service, reparieren, schlagen sich mit Handwerkern herum, verpflegen Mann und Kind, sind Seelentröster .... Die Liste der Tätigkeiten ist schier unendlich .....

Ja, ich machte halt so gut es ging für ALLE und mich und ALLE machten für sich. Besonders klar wurde mir das, weil mein Ehemann während der Jahre eine stattliche Anzahl an guten Freundinnen aufweisen konnte. Jede von ihnen hatte andere Talente; die eine kannte sich in gesunder Ernährung wunderbar aus, die andere berichtete ihm gerne von Extrembergtouren, die nächste gab bereitwillig Auskunft über gute Schulen, wieder eine andere hatte Tipps gegen Schmerzen jeglicher Art und dann gab es noch eine Reihe von musikalischen Damen, die ihm das eine oder andere Instrument beibringen wollten ..... bis eines Tages eine offensichtlich mehr als eines dieser Talente in sich vereinigte und sich für mich fühlbar; eine andere Art von Freundschaft zwischen den beiden zu entwickeln schien.

Natürlich schaut man als Ehefrau nicht gerne zu! Auch ich habe mehrmals mein Missfallen kundgetan. Doch der Kontakt blieb unvermindert rege und wurde sogar so intensiv, dass sie zu diversen Anlässen auf Essen zu zweit eingeladen wurde, während wir - der Rest der Familie - artig und sittsam allein – wie immer – zu Hause saßen!

Nach einer zweisamen Geburtstagseinladung in einer gemütlichen Schenke, wurden die Fronten geklärt und zwischenzeitig schien es, als hätte ich einen nicht ausgesprochenen Kampf gegen die Überfrau gewonnen. Auf einmal fühlte ich, dass mein Mann meine in ausreichender Zahl vorhandenen Talente erkannte und schätzte. Ich freute mich jeden Tag auf sein nach Hause kommen bis, ja bis ..... ich durch Zufall erfuhr, dass er Teilnehmer am Maturaball der Tochter seiner „Freundin“ gewesen war. Das wäre alles miteinander nicht so schlimm gewesen, hätte er nicht währenddessen unseren Sohn samt Freund bei seinen betagten Eltern auf einer entlegenen Alm allein zurückgelassen; hätte er nicht beide frühzeitig ins Bett gestopft um ungestört ausgehen zu können .... Beinahe fand alles noch ein tragisches Ende, denn ein Wirbelsturm vernichtete ganze Wälder, Bäume stürzten auf die Straße und die Stromversorgung war für mehrere Tage lahm gelegt. Gerade noch in letzter Sekunde trat er die Heimfahrt an und musste zu dieser Zeit, mitten in der Nacht, bereits einige Bäume von der Straße räumen. Es grenzt an ein Wunder, dass ihm nichts passiert ist und auch, dass die Buben nicht zu Schaden kamen....

Das war für mich das Schlüsselerlebnis und ich fasste den Entschluss, mich auch familiär unabhängig zu machen. Ich wollte nicht noch mehr Zeit dafür investieren, alles zu geben um Almosen zu bekommen. Als erstes musste ich wieder Anschluss an die „Außenwelt“ knüpfen. Nicht zuletzt deswegen, weil ich mich über kurz oder lang vereinsamt fühlen würde, weil ich abends ständig nur zu Hause saß und niemanden Neuen kennenlernen konnte. So beschloss ich, mich bei einer nicht gerade billigen Partneragentur einschreiben zu lassen. Schon bald kam es zu ersten Kontakten. Herren verschiedenster Profession und verschiedensten Alters besuchten mein Profil. Was auch bald feststand war, dass alle eigentlich eine Lebenspartnerin suchten. Ich jedoch suchte gar nichts – ich wollte einfach jemanden begegnen, der ganz anders war als ich es gewohnt war. Auch wollte ich primär keinen sexuellen Kontakt knüpfen sondern einem kongenialen Gesprächspartner begegnen. Das jedoch stellte sich schwieriger als erwartet dar.

Nach mehreren eher lauen Kontakten, die mich nicht sonderlich vom Hocker rissen und mich bereits sehr daran zweifeln ließen, dass es eine gute Idee gewesen war, sich einschreiben zu lassen, wollte ich dem „Treiben“ ein Ende setzen und mich vorzeitig zurückziehen. Hier würde ich es nicht schaffen, ernsthaft Freunde fürs Leben zu finden. Freunde, die man einfach anrufen konnte, um mit ihnen auf ein Bier, ins Kino, in die Ausstellung oder sonst wohin zu gehen.

Ich stieg also ein und schaute noch einmal meine Post und die Neuempfehlungen durch. Da fiel mein Auge auf das Profil eines Mannes, der nicht nur die gleichen Ansichten sondern auch einen ähnlichen Schreibstil wie ich an den Tag legte. Ich hatte nämlich genug von Briefen mit grammatikalisch falschen Sätzen ....

Ein letztes Mal noch wollte ich mit jemandem aus diesem Portal Kontakt aufnehmen ....

Was soll ich sagen, es entwickelte sich ein reger Briefwechsel.

Weil ich ihn so speziell finde, habe ich ihn hier zusammengefasst und aufgeschrieben und gebe Ihnen liebe LeserInnen die Möglichkeit, nachzuempfinden, welch große Gefühle sich zwischen einander fremden Menschen entwickeln können.