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Die Kunst des (un)demokratischen Kulturdialoges

Betty Baloo am Mi., 18.01.2017 - 00:05
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Kulturdialog Graz 2017: Die Kandidatinnen der wahlwerbenden Parteien

Der Kulturbeirat und das Kulturamt der Stadt Graz luden am 16. Jänner 2017 zum Kulturdialog 2017 „Kulturpolitik = Kulturdialog ins Kunsthaus Graz ein.

Viele aus der Kulturszene, die Rang und Namen haben, waren gekommen.

Am Eingang hatten wir einen Fragebogen – auf gut Englisch „Entrance Poll“ - zu 4 Fragen auszufüllen. Unter anderem wollten die Veranstalter*innen wissen, welche Bedeutung die Politik der Stadt unserer Einschätzung nach der Kultur zumesse. Auch wollte man wissen, welche Bedeutung die Kultur für die Politik der Stadt unserer Meinung nach in Zukunft beigemessen werden sollte. Welche kulturellen Anliegen die Politik unserer Meinung fördern soll und welche der Parteien unserer Meinung nach die Anliegen der Kunst am besten vertrete.

Aber hoppla: Diese Fragen, sie ließen Irrtümer zu und waren fehlerbehaftet. Warum haben die Veranstalter*innen bei der Frage nach Umsetzung der Kulturpolitik lediglich jene Parteien als Antwortmöglichkeit angeführt, die bereits im Gemeinderat vertreten sind? Wo waren die anderen, um unsere Stimme werbenden Listen, die noch Nichtetablierten, geblieben? Und wie konnte nun ein Kulturdialog 2017 stattfinden?

Der Veranstaltungsraum füllte sich zunehmend, dass sogar die aufgestellten Sessel nicht ausreichten und hinten die Zuhörer*innen stehen mussten. Einem Engel gleich wurde uns ein Beiratsmitglied Birgit Pölzl als Wächterin über die Redezeit vorgestellt: 15 Minuten für Lisa Rückers Bericht, 60 Minuten für das Podium, 30 Minuten für den Marktplatz und 35 Minuten für die Pause.

Nach Begrüßung und einleitenden Worten gab Lisa Rücker als bisherige Kulturstadträtin ihren Tätigkeitsbericht über 4 Jahre ab. Inklusion, Diversität, kulturpolitischer Auftrag, Musealisierung, Vermeidung der Instrumentalisierung der Künste, Inklusion, Selbstrelativierung und viele wohlklingende Schlagworte mehr waren die immer wieder kehrenden Vokabel, die darin Verwendung fanden und wollten darauf hinweisen, dass man sich ein ganzes Stück weit mit den veränderten Grundstrukturen der Gesellschaft auseinander zu setzen hatte.

Danach folgte eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen wahlwerbender Gruppen der etablierten, bereits im Gemeinderat vertretenen Parteien. Ich bekam auf einmal ein Déjà-Vu. Ich erinnerte mich an meine Kandidatur von vor 5 Jahren, die ich aus freien Stücken und vollkommen selbst finanziert, auf die Beine gestellt hatte. Besonders erinnerte mich dieses Szenario daran, dass sich für die sozialen Themen, die ich unbedingt los werden wollte, von Seiten der Medien und der anderen wahlwerbenden Gruppen niemand dafür zu interessierten schien obwohl viele Menschen davon betroffen sind.

Ich wurde hellhörig und geradezu grantig. Da vorne spielten die Vertreter*innen der etablierten Parteien ihr einstudiertes Programm herunter, ohne, dass auch nur einer öffentlich gefragt hätte, wo denn die restlichen Wahlwerber*innen seien, ohne, dass einer die Frage in den Raum stellte, wie demokratisch das sei.

Ich unterdessen machte mir Gedanken, wie ich meine Frage aus dem Publikum dementsprechend formulieren würde. Ich wollte unmissverständlich klar aussprechen, dass ich eine Einladung zu einem Kunst- und Kultur DIALOG mit mehrmaliger Verwendung der Worte Integration, Inklusion und ähnlichen nur dann vorlebe, wenn ich neu kandidierende Gruppierungen vom Dialog nicht ausgrenze, wenn ich auch denen Gehör schenke, die sich ein Herz genommen haben und sogar riskieren, vor anderen ihrer Unwissenheit und Naivität wegen zum Kasperl zu machen, nur um endlich unumwunden ihre Meinung zu sagen.

Als die Diskussion dem Ende zuging und ich meine Hand zum Zeichen schon empor strecken wollte, weil ich so empört über diese Grundausgrenzung war, wurde von der Veranstaltungsleitung statt zur erwarteten Fragerunde aus dem Publikum zur Pause gebeten und angemerkt, dass wir nach der Pause an Tischen mit den einzelnen Vertreter*innen der Parteien ins Gespräch kommen könnten.

Ich wollte das nicht unwidersprochen hinnehmen, denn ich wollte mich, wie es sich für eine Demokratie geziemt, ÖFFENTLICH in der Agora für alle anderen hörbar zu Wort melden und nicht bloß im Verborgenen mit Politiker*innen in kleiner Runde unverbindlich plaudern. Ich suchte also die Veranstaltungsverantwortliche auf, um mein Unverständnis und meinen Ärger gegenüber dieser undemokratischen, ausgrenzenden Kulturpolitik kund zu tun und anzumerken, dass genau dieses Vorgehen der Spiegel dafür sei, wie überheblich es sei, anderes, fremdes, nicht zu berücksichtigen bzw. die Chance zur Meinungsäußerung zu verweigern.

Als Entschuldigung sagte mir die Veranstaltungsverantwortliche: „Ja wir haben die neu startenden Gruppierungen bewusst nicht eingeladen.“ Was mich dazu veranlasste zu sagen, dass mich gerade die zwei Worte „bewusst nicht“ noch ein wenig wütender und trauriger machen, weil genau das in einer Demokratie ein Verbrechen sei.

Ich verließ die Veranstaltung vorzeitig. Wo der politische Raum zerstört wird und uns lediglich eine schale Simulation falsche Hoffnungen machen will, dafür ist mir als nicht isofizierter Aktionskünstlerin der unbezahlte Einsatz meiner Lebenszeit und Energie einfach zu schade.

Angesichts dessen, dass im wortreichen aber in Bezug auf konkrete Fakten inhaltsleeren Bericht des Kulturbeirates zum Kulturdialog 2015 Hannah Arendts „Sprechen, das eine Form des Handelns ist“ beschworen wird, bleibt mir nur noch das Verlassen des vorgeschriebenen Schauspiels über, um nicht selbst Teil dieser Inszenierung zu werden!

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